Bereits zum zwanzigsten Mal fand am vergangenen Freitag der Bundesweite Vorlesetag statt. Auch Schülerinnen und Schüler unserer Schule waren heuer dabei und sie zeigten Einfühlungsvermögen und viel Geschick im Umgang mit den Kleinen in drei verschiedenen Freilassinger Kindergärten.

„Vorlesen ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Michaela Prieschl, ihres Zeichens Fachschaftsleiterin Deutsch an unserer Schule. Am bundesweiten Lesefest, das ein Zeichen für Leseförderung setzen will, war sie mit ihren Schülern gruppenteilig vor Ort in drei Freilassinger Kindergärten unterwegs: im Waldorfkindergarten, im Kath. Kindergarten und bei den Sonnenscheinkindern.
Früher im Zentrum pädagogisch-didaktischer Vermittlung fest verankert, fristet das Lesen heute eher ein Schattendasein. Neuere Statistiken zeigen, dass ein Drittel der Eltern ihren Kindern nie etwas vorliest. Über 20 Prozent der Schulabgängerinnen und Schulabgänger haben Schwierigkeiten beim Lesen. Früher angesehenes Kulturgut, findet die Beschäftigung mit Büchern heute eher geringe Aufmerksamkeit, so die Bildungsforschung.
Das sei keineswegs so, widerspricht die Deutsch- und Geschichtslehrerin jüngsten Untersuchungen zum Leseverhalten energisch. „Im Unterricht gehört das Lesen nach wie vor zu den Kernkompetenzen“, so Frau Prieschl. Ohne grundlegende Lesefähigkeiten sei die Bewältigung vieler Aufgabenstellungen gar nicht zu schaffen.
Aber soweit sind die Vorschulkinder, die an diesem Vormittag schon gespannt auf ihren jugendlichen Besuch warten, noch nicht. Die Mädels und Buben aus der neunten Jahrgangsstufe, die von Deutschlehrer Andreas Kuchler rekrutiert und in der Vorbereitung auf den Lesetag begleitet wurden, haben kindgerechte Lektüre dabei. Die Kinder sitzen im kleinen Stuhlkreis mit Tuchfühlung zum Rezitator. Schnell haben sie Vertrauen zu ihren Gästen gefasst.
Einige kuscheln ganz nah an ihren „Vorleser“ heran, wirken redlich entspannt – und erfreuen sich an ihrem Kino im Kopf, das zusätzlich durch die fantasie- und kunstvollen Zeichnungen in den Büchern angeregt wird. „Bücher sind großartig, man taucht mit ihnen für eine kurze Zeit in eine fremde Welt ein“, so die Pädagogin. Später werden dann die Kleinen die Großen zum gemeinsamen Spielen einladen. Gemeinsam lesen, gemeinsam spielen, hier geht die Beziehungsebene zwischen Groß und Klein durch viele Kanäle.
„Das Plus beim Vorlesen ist die Interaktion“, so Frau Prieschl. Mehrere Hirnareale seien dabei aktiv, konnten Forscher herausfinden. Hirne von Kleinkindern, denen viel vorgelesen werde, seien agiler und zeigten eine stärkere Reaktion auf neue Geschichten. Sie könnten mehr vom Gehörten verarbeiten als weniger leseaffine Altersgenossen. „Die Bindung zum Kind wird gestärkt,“ so die Germanistin.
Bei den meisten Elterngesprächen empfehle ich das Lesen ausdrücklich“, so die pädagogisch erfahrene und fachlich versierte Lehrkraft in Leitungsfunktion. Die Eltern seien diesem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen Der regelmäßige Einsatz von Lektüre im Unterricht, klasseninterne Leseübungen, der Vorlesewettbewerb der 6. Jahrgangsstufe oder Portfolioarbeiten zu Werken aus der Literaturgeschichte. – Unsere Schule ist hinsichtlich der Verbesserung von Lesekompetenz gut aufgestellt. „Die Schülerinnen und Schüler entwickeln einen größeren Wortschatz und lernen, sich besser auszudrücken“, so Frau Prieschl. „Ihr Vorstellungsvermögen erweitert sich, die Kreativität wird gestärkt.“ Mit dem Vorlesen von Geschichten werde den Kindern neues Wissen vermittelt, das ihnen dabei helfe, die Welt besser zu verstehen – und leichter lesen zu lernen.

Die Erzieherinnen jedenfalls zeigten sich angetan vom Besuch der Mädels und Buben mit ihren Büchern. Vielleicht müsse man ja auf ein Wiedersehen nicht ein ganzes Jahr warten, so der einhellige Tenor der engagierten pädagogischen Fachkräfte in den verschiedenen Einrichtungen.

 

Johannes Vesper