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Demnächst wird unser Lehrer Herr Koller nicht mehr in den Werkräumen unserer Schule anzutreffen sein, sondern im Plenarsaal des Münchener Landtags. Am letzten Wahlwochenende schaffte er im dritten Anlauf den Sprung in den bayerischen Landtag, der heute mit den Koalitionsverhandlungen beginnt.

Auf dem Bundeskongress der Freien Wähler Anfang des Jahres in Bitburg war die Welt der Partei noch in Ordnung. „Wir Freie Wähler,“ heißt es dort in der Präambel des Wahlprogramms „sind nahe dran an den Sorgen der Menschen und treten für pragmatische Lösungen mit gesundem Menschenverstand ein.“ Unmittelbar vor den Landtagswahlen in diesem Herbst hing das politische Überleben des Parteivorsitzenden am seidenen Faden.
„Angeschlagene Boxer sind bekanntlich die gefährlichsten“, sagt man mitunter ehrfurchtsvoll. Hubert Aiwanger war schon angezählt, da kamen ihm seine Parteifreunde zur Hilfe und brachten ihn in solidarischer Einigkeit wieder auf die Beine. Und so ein überzeugendes Wahlergebnis für die FW hat niemanden mehr verblüfft als Aiwanger selbst.
Einmal hatte Herr Koller seinen Parteichef mit in die Schule gebracht. Aiwanger redete zwei Stunden lang über Politik, ohne Skript und ohne Punkt und Komma, bis es den jungen Zuhörern ganz schwindlig war vor lauter Daten, Fakten und Begriffen wie Parteiensystem oder Macht. Am vergangenen Sonntag, dem Wahlabend, traf man den hauptberuflichen Werkenlehrer im Landratsamt an, seine politische Heimstätt. Wenn er bei der Waldbesitzervereinigung zu Gast war, vor Abschlussschülern eine Rede hielt oder über die Notfallversorgung im Berchtesgadener Land disputierte, spürte man das politische Fingerspitzengefühl des stellvertretenden Landrats.
Notwendiges kommt unaufdringlich, aber bestimmend daher, das ein oder andere gilt es abzuwägen. Herr Koller ist kein Lautsprecher, keiner, der erstmal den Journalisten in die Federn diktieren muss, wo es lang geht. Er sucht immer den Ausgleich, ist ein Mann der überlegten Worte, der ruhigen und ausgleichenden Töne.
Nach drei Kandidaturen hat er es geschafft. Endlich Politprofi als Fulltime Job. In München, Stadt der Schickeria, zusammenarbeiten mit einem omnipräsenten Ministerpräsidenten. Wie hat sich der Laie so etwas vorzustellen? Berchtesgadener Land und Landrat Bernhard Kern, das versprach überschaubare und wägbare Klänge und Gepflogenheiten. Das Dragerl unterm Arm und das Hendl in der Tüte, dafür dürfte auch in Minga Raum sein. „Schau ma moi.“ Wir werden sehen. Bayerischer Landtag im Herbst 2023. Jetzt ist Herr Koller mittendrin, wofür er so lange gearbeitet hat: auf Veranstaltungen, in Diskussionsrunden, auf Vorträgen, geselligen Abenden im Wahlkampf ohne Ende, mit wenig Schlaf, detailversessen und fachlich immer ganz vorn dabei.
Einiges wird er zurücklassen müssen, vor allem seine zahlreichen und treuen Wähler vor Ort. Seine Passion fürs Werken als gelernter Schreiner im Schulunterricht. Seine Schülerinnen und Schüler werden ihn vermissen. Das Arbeitslima im Werkraum, unabhängig von der Jahrgangsstufe, lud den Besucher unwillkürlich zum Verweilen ein. Werken bei Herrn Koller, das war für Mädels und Buben immer eine angenehme, faire und begeisterungsfähige Angelegenheit.
So war auch seine Verwaltungstätigkeit im Stiftsland, insbesondere sein Einsatz für die Kirchenzeitung „Der Stiftsbote“. Engagiert und vor allem strukturiert ging er dabei zu Werke. Koller, das steht für „volle Kanne“. So war das schon, als er den Wasserhäuslerball an Fasching ins Leben rief. Lange vorher ausverkauft, mit gesteigertem närrischen Aufkommen bis in die frühen Morgenstunden. Ois isi, bis der formale Aufwand nicht mehr zu stemmen war und wie eine Krake das schöne Fest in ihren Schlund zog.
Und was wird man am meisten vermissen, wenn er geht. Natürlich seine gewinnende und freundliche Art, seine gute Laune, seinen Optimismus, sein einfühlsames Wesen. Und was man ihm wünscht: dass er sich weiterhin mit seiner Energie für die Sache und seine Wähler einsetzt – und sich nicht verbiegen lässt. Die Schulgemeinde jedenfalls wünscht Herrn Koller alles Gute für seinen politischen Neustart am heutigen Freitag.


Johannes Vesper