Morgens um kurz nach fünf, wenn unser Schulhaus noch in nächtlicher Stille verharrt, geht hinter dem Rollladen am Kiosk das Licht an. Dann tritt Karin Seeor in Aktion. Vorher hat sie in der Bäckerei Semmeln geholt, die jetzt belegt werden müssen. Im Kiosk erwacht das schulische Leben zu allererst. Denn schon bald kommen die ersten Kunden.

Stefan geht in eine sechste Klasse. Er zieht sich seine Mütze aus dem Gesicht und läuft schnurstracks Richtung Pausenverkauf. Er hätte so gern eine Leberkässemmel und etwas Warmes zu trinken. Der Vater habe ihn vor der Schule abgesetzt, ausnahmsweise, weil er auf einen wichtigen Geschäftstermin müsse, so der Junge. Da sei zu Hause keine Zeit mehr fürs Frühstücken gewesen. Die Mutter komme erst gegen acht von der Nachtschicht.“ Es sei jetzt niemand da, so der Zwölfjährige.
So etwas komme heute häufig vor, so Frau Seeor, die sich am liebsten schlicht Karin nennen lässt. Den Kindern würde daheim Geld zugesteckt, damit sie sich in der Schule am Vormittag selbstständig verköstigen. „Da gibt´s kein Frühstück.“ Die Kinder seien auf sich allein gestellt. Derweil belegt die Kioskchefin die Semmel mit Wurst, Käse und Leberkäs. Später stehen Semmeln, Sandwiches, Butterbrezen und ganze Putenfladen auf dem Tresen. Zwischen 7.15 und 7.30 gibt´s endlich warme Leberkässemmel.
Neu im Angebot habe sie eine vegetarische Pizza, die sich gleich neben Schnitzelsemmeln, Käse- und Speckstangerl, Bosna und Hot Dogs appetitlich drapiert zum Kauf feilbietet. Denn geistige Arbeit macht hungrig, auch dann wenn der schulische Einsatz noch keine der Köstlichkeiten rechtfertigt. Doch der Gong zur ersten Pause lässt nicht mehr lange auf sich warten.
Schnell hat Karin mit ihrer Ansprach in freundlichem, aber bestimmten Ton, zwischen den Streithähnen geschlichtet: „A Ruah is etz“. Sie ist nicht nur eine gewandte, sondern auch eine durchsetzungsstarke Verkäuferin, die stets auf die Einhaltung der Einkaufsregeln am Kiosk bedacht ist. Schließlich weiß sie als Mutter von zwei erwachsenen Kindern, wie man mit Jugendlichen umgeht.
In der ersten Pause bekommt sie Verstärkung aus dem Geschäft. Häufig kommt Robert Dallmeier, der Inhaber der Bäckerei in der Staufenstraße und früherer Realschüler, selbst vorbei um nach dem Rechten zu sehen. Seitdem Schokoriegel und Chips aus dem Sortiment genommen wurden, habe sich die Nahrungsqualität rund um den Pausenverkauf stetig verbessert, ist Karin von der Qualität Bachwaren voll und ganz überzeugt. Und was macht den Verkauf in einem Schulkiosk so attraktiv? Natürlich, hier hat man genauso viel Urlaub wie die Lehrer Ferien haben.

Johannes Vesper