Ein ganz normaler Sonntagnachmittag. Menschenmassen schlängeln sich durch die engen Gassen im Westen Shanghais, einer malerischen Gegend mit einer unüberschaubaren Anzahl an Restaurants, Garküchen, Imbissständen und exotisch anmutenden Verkaufsständen mit Streetfood.

„Gutes Essen ist Medizin“, so sehen es die Chinesen. Wer falsch oder zu viel esse, störe die Harmonie im Körper. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, müsse man nur die richtigen Lebensmittel zu sich nehmen. Die Chinesen glauben nämlich, dass sie mit jedem Stück Gemüse, Fisch oder Reis „Qi“ gewinnen: neue Lebensenergie. Die verspricht man sich besonders von frittierten Heuschrecken, eingelegten Grillen, gegarten Hühnerfüßen oder durch den Genuss einer Ochsenfroschsuppe. Herr Fial, unser Biologielehrer, ist diesem Phänomen, das auch in unseren Breitengraden auf dem Vormarsch ist, auf den Grund gegangen.
„Nimm noch eine Heuschrecke“, sagt Herr Jiang hinter seinem kleinen Stand in der Weltmetropole Shanghai, die einstmals ein kleines Fischerdorf war. „Du bist so blass.“ Heuschrecken sind gesund: 100 Gramm enthalten 75,8 Milligramm Kalzium und 9,5 Milligramm Eisen. Der Mut zum Insekt auf dem Teller ist ja nicht nur typisch für China. Überall in Asien und auch in Afrika werden die proteinreichen Krabbler als Snack geschätzt.
Herr Fial: „Seit einigen Jahren leben im Biologiesaal unserer Schule unsere Stabschrecken in ihren Terrarien, sie sind für die Schüler zu Bildungszwecken im Einsatz. Gut getarnt erkennt man sie erst auf den zweiten Blick als lebendes Getier.
Was in asiatischen Ländern schon lange keine Seltenheit mehr ist, ist in der EU seit diesem Jahr um den „Buffalo Worm“ reicher: Insekten als Nahrungsquelle. Was viele nicht wissen, ist, dass bei uns bereits drei Insekten als menschliche Ergänzung zum Ernährungsplan erlaubt und acht weitere im Zulassungsverfahren sind.
Vom Burger mit Mehlwürmern bis hin zu frittierten Kleinstlebewesen wie Heuschrecken oder Grillen sind sie bereits in den Regalen einiger Supermärkte als Fleischersatz im Angebot. Anlass genug, sich selbst ein Bild über die zukunftsträchtige Entwicklung zu machen. Um ein Produkt selbst zu testen, bestellte ich Grillen mit Thai Geschmack und konnte feststellen, dass diese neue Nahrungsquelle durchaus Potential hat: „Die thailändischen Gewürze übertönen zwar leicht den Eigengeschmack, die Grillen schmecken als Snack jedoch wirklich gut“, so mein erster Eindruck.
Durch das rapide Bevölkerungswachstum auf der Erde und die dadurch entstehende Nahrungsknappheit in vielen Regionen der Welt könnten in Zukunft Insekten als Nahrungsmittel genutzt werden. Auch in der Diskussion um den Fleischkonsum würde sich mithilfe der Insekten eine Alternative herausbilden.
Das Auge isst mit, sagt man so schön. Viele Menschen in unseren Breitengraden begegnen der neuen Nahrungsquelle eher mit Zurückhaltung und empfinden Ekel. Optisch braucht man noch etwas Überwindung Insekten zu kosten, zermahlen als Mehl könnten ihre Inhaltsstoffe aber durchaus einen neuen Proteinbestandteil von Nahrungsmitteln bilden. Eine Kostprobe sind diese Produkte mit Insekten jedenfalls allemal wert und man wird in Zukunft sicher eine steigende Anzahl solcher Lebensmittel in vielen Geschäften vorfinden.
Die im Bioraum angesiedelten Stabschrecken haben zwar viel Ähnlichkeit mit Salzstangen, sind jedoch nicht für den Verzehr bestimmt, sondern dienen ausschließlich Bildungszwecken.

S. Fial/ J. Vesper